Die eiserne Maria

Der Frühlingsmorgen ist kühl in der Gegend von Kaliningrad. Er ist kühl in Ishewskoje und im Garten, durch den die Kamera langsam auf Maria Logwinenkos Haus zufährt. Sie sitzt hinter einem Fenster, zündet sich eine Zigarette an und blickt zur aufgehenden Sonne : „Was ich jeden Morgen bewundere, das ist der Sonnenaufgang“, sagt sie mit gebrochener Stimme. Der gebe ihr Kraft. Dann vergräbt sie schluchzend das Gesicht in ihren Händen.

1937 im damaligen Ostpreussen geboren, begibt sich Maria zusammen mit den Filmemachern Ingeborg Jacobs und Hartmut Seifert erneut auf jene Irrfahrt, die für sie am Ende des zweiten Weltkriegs mit der Eroberung Ostpreussens durch die Sowjets begann. Damals floh sie mit der Mutter und den zwei Geschwistern vor der Roten Armee. 

Die Mutter starb bald, an Hunger und Erschöpfung. Maria irrte durch Litauen und Russland, lebte vom Betteln und von kleinen Diebstählen, wurde verhaftet und in ein russisches Arbeitslager verschickt. Jetzt wird ihr damaliges Elend beim Besuch der Orte der Vergangenheit wieder gegenwärtig.

Kameramann Hartmut Seifert filmt Maria Logwinenko ohne falsches Pathos. Nur vorsichtig nähert er sich der Protagonistin, entfernt sich wieder und wendet den Blick von ihr ab. Doch gerade die Distanz, obwohl sie zeitweise an Unterkühltheit zu grenzen scheint, schafft im Film Die eiserne Maria zuletzt wieder Nähe. Maria Logwinenkos Einsamkeit und Verzweiflung werden aus ihr spürbar. Und es gelingt Ingeborg Jacobs und Harmut Seifert, die erschütternde Lebensgeschichte eines Menschen zu erzählen, ohne sie und ihn zur Schau zu stellen.

(es) © visionsdureel Nyon 2002

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